Von Fachanwältin für Arbeitsrecht Anna Fischer

Laut Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Februar 2022 zum Aktenzeichen 1 AZR 233/21 kann eine solche Erklärung nicht wirksam sein. Dies hat zur Folge, dass die gesamte Betriebsvereinbarung unwirksam ist. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Es bestand ein dreiköpfiger Betriebsrat in einem Betrieb, in dem seit langem eine Betriebsvereinbarung zur Eingruppierung auf der Grundlage einer sogenannten analytischen Arbeitsbewertung sowie zur Prämienzahlung zur Anwendung kam. Der BR-Vorsitzende unterschrieb zwei ablösende Betriebsvereinbarungen, die sich nachteilig auf einen Arbeitnehmer auswirkten. Dieser klagte daraufhin auf Feststellung, dass er gemäß der bisherigen Betriebsvereinbarung einzugruppieren und zu vergüten sei. In dem laufenden Prozess kam dann heraus, dass der Vorsitzende die Betriebsvereinbarungen ohne Beschluss des Betriebsrats, aber nach vorheriger informeller Abstimmung mit den anderen beiden BR-Mitgliedern unterschrieben hatte. Diese kannten die bevorstehende Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung und erhoben keine Einwände. Von diesen internen Vorgängen des Betriebsrates hatte der Arbeitgeber bis zum Prozess keine Kenntnis. Eine nachträgliche Genehmigung der Zustimmung des BR-Vorsitzenden zu den beiden Betriebsvereinbarungen per BR-Beschluss gab es nicht.

Die Vorinstanzen (Arbeitsgericht Wuppertal sowie Landesarbeitsgericht Düsseldorf) führten aus, dass die Zustimmung des BR-Vorsitzenden ausreiche, auch wenn kein entsprechender BR-Beschluss vorliege. Das Landesarbeitsgericht stützte sich dabei auf die im Zivilrecht anerkannte sogenannte Anscheinsvollmacht, da die anderen beiden BR-Mitglieder von der Unterzeichnung der Betriebsvereinbarungen wussten und der Arbeitgeber im guten Glauben von einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung ausging.

Das Bundesarbeitsgericht hob jedoch das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf und verwies die Angelegenheit zurück. Es führte hierzu aus, dass eine rechtlich bindende Vertretung des Betriebsrats durch den Vorsitzenden ohne ordnungsgemäßen BR-Beschluss jedenfalls dann nicht möglich sei, wenn es um den Abschluss einer Betriebsvereinbarung gehe. Eine Anscheinsvollmacht – wie vom LAG Düsseldorf bejaht – setze voraus, dass der Vertretende das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, es aber bei sorgfältigem Vorgehen hätte erkennen und verhindern können und dass die andere Vertragspartei darauf vertraut, dass der Vertretende das Handeln des Vertreters kennt und mit ihm einverstanden ist. Diese Art der Zurechnung sei aber auf das Verhältnis von Betriebsrat und BR-Vorsitzenden nicht zu übertragen. Denn Betriebsvereinbarungen gelten für alle Arbeitnehmer des Betriebs unmittelbar und zwingend. Dafür ist eine demokratische Legitimation erforderlich, diese liegt in dem mehrheitlich getroffenen Beschluss des Betriebsrats. Die Geltung einer Betriebsvereinbarung allein aufgrund einer Anscheinsvollmacht des BR-Vorsitzenden ist damit nicht vereinbar.

Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Gemäß § 26 Absatz 2 BetrVG ist die Vertretungsmacht des BR-Vorsitzenden für den Betriebsrat gesetzlich beschränkt. Daher dürfen die BGB-Regeln über die Stellvertretung für das Verhältnis von Betriebsrat und BR-Vorsitzenden nicht in vollem Umfang gelten.

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