Liegt in einer arbeitsvertraglichen Klausel, keine Probezeit zu vereinbaren, auch der Verzicht auf die sechsmonatige Wartezeit bis zum Eingreifen des allgemeinen Kündigungsschutzes gem. § 1 Abs. 1 KSchG?

Von Rechtsanwältin Anna Fischeranna fischer neu

Antwort:

Laut Urteil des LAG Baden-Württemberg ist dies nicht der Fall. Bei einer entsprechenden Klausel „Es wird keine Probezeit vereinbart“ handelt es sich nur um eine Klarstellung dahingehend, dass keine Probezeit im Sinne des § 622 Abs. 3 BGB, die zu einer kürzeren Kündigungsfrist führen würde, vereinbart wird, nicht aber um einen Verzicht auf die Wartezeit bis zum Eingreifen des allgemeinen Kündigungsschutzes gemäß § 1 Abs. 1 KSchG, sofern keine weiteren Anhaltspunkte hierfür vorliegen.

Die Arbeitsvertragsparteien sind im Rahmen der gesetzlichen Regelungen frei in der Gestaltung der Arbeitsverträge. Eine Probezeit muss nicht zwangsläufig vereinbart werden. Sofern der Arbeitgeber jedoch eine Probezeit vorsieht, darf diese gemäß § 622 Abs. 3 BGB nicht länger als sechs Monate dauern.

Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG findet das Kündigungsschutzgesetz erst Anwendung nach Ablauf einer Wartezeit von sechs Monaten. Danach ist eine ordentliche, arbeitgeberseitige Kündigung nur sozial gerechtfertigt, wenn betriebsbedingte, personen- oder verhaltensbedingte Gründe vorliegen. Das Kündigungsschutzgesetz findet zudem keine Anwendung, wenn in dem Betrieb zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt werden.

Im zugrunde liegenden Fall (Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 18. Juni 2019, Az.: 15 Sa 4/19) vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien in dem Arbeitsvertrag, dass keine Probezeit vereinbart wird. Ein Verweis darauf, dass auch die sechsmonatige Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes keine Anwendung finden soll, fand sich in dem Arbeitsvertrag jedoch nicht wieder. Nachdem das Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung nach bereits fünf Monaten gekündigt wurde, stritten die Parteien darum, ob das Kündigungsschutzgesetz dennoch Anwendung findet.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass mit dem Verzicht auf eine Probezeitvereinbarung auch ein Verzicht auf die Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes erklärt wurde. Die Klägerin führte dazu insbesondere aus, dass bereits nach dem Wortlaut der Vereinbarung diese dahingehend ausgelegt werden müsse, dass nicht nur der Verzicht auf die verkürzte Kündigungsfrist gem. § 622 Abs. 3 BGB (14-tägige Kündigungsfrist innerhalb der Probezeit, sofern nicht anders vereinbart) gemeint gewesen sei, sondern auch ein Verzicht auf die Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes. Denn als „Probezeit“ werde im allgemeinen Sprachgebrauch die erleichterte Möglichkeit der Kündigung verstanden, wobei der Laie nicht zwischen der kürzeren Kündigungsfrist und der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes unterscheide. Die Beklagte bestritt diese Auffassung und führte unter anderem aus, dass ein Verzicht auf die Einhaltung der Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes entsprechend in den Vertrag aufgenommen worden wäre und sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch eben keine Gleichsetzung zwischen Probezeit und Wartefrist ergebe.

Das LAG entschied zugunsten der Beklagten und führte unter anderem aus, dass mit dem Verzicht auf die Vereinbarung einer Probezeit nicht konkludent der Verzicht auf die Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz einher gehe. Dementsprechend war die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung wirksam, da es einer sozialen Rechtfertigung nicht bedurfte. Zwar können die Arbeitsvertragsparteien abweichende Regelungen zu Gunsten des Arbeitnehmers, etwa einzelvertragliche oder kollektivrechtliche Vereinbarungen über den Ausschluss oder die Verkürzung der Wartezeit oder über die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber vereinbaren. Einzelvertragliche Vereinbarungen dieser Art müssen dabei auch nicht ausdrücklich getroffen werden, sie können sich aus konkludenten Verhalten ergeben. Auch können bei der Beurteilung, ob allgemeiner Kündigungsschutz anzunehmen ist, Umstände von Bedeutung sein, die bei einem Arbeitnehmer, der den Vertragsarbeitgeber wechselt, den Eindruck entstehen lassen können, die Beschäftigungsverhältnisse stünden trotz des Wechsels der Vertragsarbeitgeber in einem inneren Zusammenhang z. B. dann, wenn dem betroffenen Arbeitnehmer die „Mitnahme“ von Resturlaub zum neuen Arbeitgeber zugesagt wurde. Jedoch war das hier nicht der Fall. Das Gericht führte dazu aus, dass aus der vereinbarten Klausel „es wird keine Probezeit vereinbart“ lediglich zum Ausdruck gebracht wird, dass keine Probezeit vereinbart wird. Es sei davon auszugehen, dass Rechtsbegriffe, die von den Arbeitsvertragsparteien verwendet werden, grundsätzlich mit der Bedeutung verwendet werden, die sie in der Rechtsordnung haben. Bei der Probezeit handelt es sich gem. § 622 Abs. 3 BGB um einen Zeitraum, der „vereinbart“ werden muss, damit dem Arbeitgeber eine kürzere Kündigungsmöglichkeit offensteht. Im Gegensatz hierzu verwende § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz den Begriff der Probezeit nicht. Es könne auch nicht zu Lasten des Arbeitgebers gehen, dass im allgemeinen Sprachgebrauch die Begriffe der Probezeit und der Wartezeit vermischt werden. Wer einen Arbeitsvertrag schließe, müsse sich über die Bedeutung der darin verwendeten Rechtsbegriffe informieren. Auch ergeben sich im vorliegenden Fall keine Umstände außerhalb des Vertrages, die entweder eine andere Vertragsauslegung als richtig erscheinen ließen oder nach dem Rechtsgedanken des § 622 BGB zu einem vorzeitigen Einsetzen des allgemeinen Kündigungsschutzes führen würden. Die Klägerin, die sich darauf beruft, dass die persönlichen Voraussetzungen des allgemeinen Kündigungsschutzes vorliegen, trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Einen entsprechenden Nachweis konnte sie nicht führen.

Sollte daher bei Vertragsschluss mit dem Verzicht auf die Probezeit auch der Verzicht auf die Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz einhergehen, empfiehlt es sich stets, dies ausdrücklich zu vereinbaren. Sofern nur auf die Probezeit verzichtet werden soll, empfiehlt es sich darüber hinaus, in den Arbeitsvertrag aufzunehmen, dass damit nicht der Verzicht auf die Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes gleichgesetzt wird.

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