Rechtfertigt die ernsthafte Bedrohung des Vorgesetzten und seiner Familie mit körperlicher Gewalt eine fristlose Kündigung?

tobias wilkens

Führt dies bei einer Betriebsratsanhörung, bei der versehentlich unzutreffende Sozialdaten des Arbeitnehmers genannt werden, zur Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund fehlerhafter Betriebsratsanhörung?

 

 

  

Von Rechtsanwalt Tobias Wilkens

 

 

Ja und nein. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ist in seinem nicht rechtskräftigen Urteil (Az. 12 Sa 705/21) vom 19. Januar 2022 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Äußerungen eines Arbeitnehmers gegenüber dem Personalverantwortlichen „Ihr Ochsen, wenn ich noch einmal einen von euch vor meiner Haustür und meinem Briefkasten sehe, werde ich euch schlagen, dann kann nicht mal die Polizei euch helfen“ und „Ochse, du musst in Zukunft auf dich und deine Familie achten“ eine ernstliche Drohung darstellen, die gemäß § 626 Abs. 1 BGB eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist rechtfertigt.

Der Arbeitnehmer hatte im Nachgang zu einer Abmahnung, die durch den Personalverantwortlichen zusammen mit einem Zeugen in den Briefkasten geworfen wurde, die Abmahnung als lächerlich bezeichnet und den Personalverantwortlichen sodann mit den obigen Äußerungen bedroht.

Im Zuge der Betriebsratsanhörung hat der Arbeitgeber versehentlich und unzutreffend den Familienstand des Arbeitnehmers mit ledig, keine Kinder, angegeben. Dem Betriebsrat war bekannt, dass der Arbeitnehmer, welcher jahrelang Mitglied des Betriebsrats gewesen war, tatsächlich verheiratet war und ein Kind hatte. Dies hat der Betriebsrat in seiner Stellungnahme zur Betriebsratsanhörung angegeben und der Arbeitnehmer hatte sich im Kündigungsschutzverfahren auf eine fehlerhafte Betriebsratsanhörung berufen.

Das LAG hat hierzu zustimmungswürdig ausgeführt:

Der Inhalt der Unterrichtung gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich subjektiv determiniert. Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen, um sich über sie eine eigene Meinung bilden zu können. Der Arbeitgeber muss daher dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen - und damit irreführenden - Kündigungssachverhalt schildert, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann.

Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren. In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung - ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers - auch objektiv, d. h. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert. Bei der verhaltensbedingten Kündigung, um die es hier geht, kann deshalb auf die Mitteilung der „Sozialdaten“ des Arbeitnehmers nicht deshalb verzichtet werden, weil sie für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers ohne Bedeutung waren. Der Wirksamkeit einer auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützten Kündigung steht das Unterlassen der Angabe von dessen genauen „Sozialdaten“ bei der Betriebsratsanhörung deshalb nur dann nicht entgegen, wenn es dem Arbeitgeber auf diese ersichtlich nicht ankommt und der Betriebsrat jedenfalls die ungefähren Daten ohnehin kennt; er kann dann die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers auch so ausreichend beurteilen.

Eine bewusst unrichtige Unterrichtung verletzt das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit und führt zur Unwirksamkeit der Kündigung. Eine bloß vermeidbare oder unbewusste Fehlinformation führt dagegen noch nicht für sich alleine zur Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung. Beruhen die falschen Angaben auf einer Verwechslung von Daten, ist dies im Rahmen von § 102 Abs. 1 BetrVG unschädlich (BAG 21.11.2013 - 2 AZR 797/11, juris Rn. 26).

Hier haben die Unterhaltspflichten bei objektiver Würdigung nichts mit der Drohung des Klägers zu tun. Sie lassen sie in keiner Weise verständlicher oder milder erscheinen. Sie führen auch bei der Interessenabwägung nicht zu einem anderen Ergebnis.

Fünf Neue wollen in den Landtag und üben Kritik an der Regierung

Stader Tageblatt v. 21.09.2022 
 
Von Karsten Wissner
 
Sie sind allesamt keine Politikprofis. Alle fünf Kandidatinnen und Kandidaten bei der Podiumsdiskussion der Mittelständischen Verbände in Stade bewerben sich zum ersten Mal um ein Mandant im niedersächsischen Landtag.
 
 

Stader Tageblatt 2022 09 21

 
 
 
 
 
 
 
 
 
Die Podiumsdiskussion im Havenhostel (von links): Melanie Rost-Reinecke, Birgit Butter, Corinna Lange, Matthias Mittlmejer und Esther Deppe-Becker diskutieren mit Arno Schupp und Björn Vasel vom TAGEBLATT. Foto: Wissner
 
„Das ist ein interessantes Kennenlernen“, sagte Thomas Falk, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Stade im Elbe-Weser-Dreieck. Für den Wahlkreis Buxtehude stellen sich Birgit Butter (CDU, 50), Matthias Mittlmejer (SPD, 31) und Esther Deppe-Becker (FDP, 48) zur Wahl. Melanie Rost-Reinecke (CDU, 42) und Corinna Lange (SPD, 36) wollen das Direktmandat im Wahlkreis Stade erobern. Moderiert wurde die Veranstaltung von TAGEBLATT-Chefredakteur Arno Schupp und Redakteur Björn Vasel.

Die Fünf wollen Helmut Dammann-Tamke (CDU), Petra Tiemann (SPD) und Kai Seefried (CDU) nachfolgen, die den Landkreis bisher in Hannover vertreten haben. Helmut Dammann-Tamke und Petra Tiemann beenden ihre Laufbahn. Kai Seefried ist im Herbst zum neuen Stader Landrat gewählt worden.

Eigentlich sollten sich acht Kandidaten den Fragen der Journalisten und der gut 60 Besucher der Podiumsdiskussion im Hotel Havenhostel stellen.

 

Beide Grünen-Kandidatinnen müssen absagen

Die beiden Grünen-Direktkandidaten Britta Sanders und Sandra Deutschbein mussten die Teilnahme aber krankheitsbedingt absagen. Der FDP-Kandidat Kilian Würsig konnte berufsbedingt nicht dabei sein. Linke und AfD werden von den Mittelständlern traditionell nicht eingeladen. „Wir konzentrieren uns auf das breite Mittelfeld der Politik“, sagte der Stader Kreislandwirt Johann Knabbe.

Zwei oder drei Teilnehmer werden nach der Wahl am 9. Oktober dem Landtag angehören. Umfragen sagen in beiden Wahlkreisen eine knappe Entscheidung zwischen den Kandidaten von CDU und SPD voraus. Melanie Rost-Reinecke hat zudem als Nummer vier auf der CDU-Landesliste eine Chance, auch ohne Direktmandat in den Landtag einzuziehen.

 

Alle Kandidaten kritisieren die Lage im Land

Bei den Fragen zur Wirtschaft, zur Energiekrise, zum öffentlichen Personennahverkehr, zur stockenden Digitalisierung der Schulen, dem desolaten Mobilfunknetz, zum Bildungssystem oder zum Bürokratieabbau gab es inhaltlich zwischen den Kandidaten keine großen Unterschiede. „Wenn ich sie nicht kennen würde, könnte ich nicht sagen, von welcher Partei sie kommen“, sagte ein Zuhörer am Ende der Veranstaltung. Alle Kandidaten sind durch ihre berufliche und ihre kommunalpolitische Arbeit dicht an der Basis. Zwischenzeitlich konnten Zuhörer den Eindruck gewinnen, dass nur Abgeordnete der Opposition vertreten waren, obwohl vier der fünf Bewerber Parteien angehören, die die SPD/CDU-Landesregierung stellen.

Ein Schwerpunkt der Diskussion war die aktuelle Energiekrise mit den explodierenden Energiekosten. Alle wollen Hilfen für den Mittelstand und die Menschen. Aber: „Das Gießkannenprinzip, jeder bekommt ein bisschen, das hat schon bei Corona nicht funktioniert“, sagte Melanie Rost-Reinecke. „Wir haben die Sommerpause vertan, der Mittelstand weiß nicht, was kommt“, sagte ihre CDU-Kollegin Birgit Butter. „Ich wünsche mir ein großes Entlastungspaket für den Mittelstand“, sagte Matthias Mittlmejer.

Die Diskussion zur Krisenhilfe ging nahtlos in den Bürokratie-Abbau über. „Jeder verspricht Entbürokratisierung, aber es wird trotzdem immer schlimmer“, sagte die CDU-Kreisvorsitzende Melanie Rost-Reinecke. „Ich würde mich sechs Wochen mit dem Bundeskanzler einschließen und ihm erzählen, was alles wegkann“, bot die FDP-Kandidatin Esther Deppe-Becker an. SPD-Mann Mittlmejer konnte berichten, dass eine Planung in seiner Heimatgemeinde Ahlerstedt einkassiert wurde, weil die Planungsgrenze auf der falschen Seite einer Abgrenzungsmarkierung eines Windparks gesetzt worden war. „Das ist einfach ein Strich auf einer Landkarte, aber wenn man den immer weiter vergrößert, bekommt dieser Strich plötzlich auch eine Breite“, so Matthias Mittlmejer.

Zum Thema Bürokratieabbau konnten alle Kandidaten haarsträubende Geschichten erzählen und damit die Folgen von Bundes- und Landespolitik vor Ort aufzeigen.

 

Das Land versagt beim Ausbau der erneuerbaren Energien

„Hat Niedersachsen beim Ausbau der erneuerbaren Energien versagt?“, fragte TAGEBLATT-Chefredakteur Arno Schupp die Bewerber angesichts der vielleicht im kommenden Winter fehlenden Energie. Der Bund müsse durch seine Flächenvorgaben die Arbeit der Länder machen. „Bei jeder neuen Planung eines Windparks gründet sich eine Bürgerinitiative dagegen“, berichtete die stellvertretende Landrätin Birgit Butter aus der Praxis einer Kommunalpolitikerin. „Der Krieg in der Ukraine hat vieles verändert. Die Akzeptanz für den Ausbau der erneuerbaren Energien steigt“, stellte Matthias Mittlmejer fest.

Alle Kandidaten sprachen sich für den Ausbau von Solaranlagen auch auf Freiflächen aus. Die beiden CDU-Bewerberinnen allerdings mit der Einschränkung, dass diese Flächen nicht der landwirtschaftlichen Produktion verloren gehen. Da konnte sie allerdings die SPD-Frau Corinna Lange beruhigen. „Alle Anträge kommen von Landwirten“, sagte sie. In ihrer Heimatsamtgemeinde Fredenbeck gibt es aktuell mehrere Projekte für den großflächigen Aufbau von Solarflächen.

„Werden Sie die A 20 für eine neue Landesregierung mit den Grünen opfern?“, fragte Moderator Vasel die beiden SPD-Bewerber. „Ich habe meinen Job in Hamburg aufgegeben, weil die Fahrt durch den Elbtunnel aufgrund der ständigen Staus nicht mehr möglich war“, so Corinna Lange, die Region brauche Elbtunnel und die A 20. Die aktuellen Umfragen sagen eine mögliche rot-grüne Mehrheit bei deutlichen Verlusten für die SPD voraus.

 

Was machen die Kandidaten nach der Wahl?

„Was haben Sie als erste konkrete Maßnahme vor, wenn Sie in den Landtag einziehen?“, fragte Björn Vasel. „Ich würde mich erst einmal mit den Leuten aus der Wirtschaft zusammensetzen, um zu wissen, was die brauchen“, sagte Corinna Lage. Matthias Mittlmejer würde die Möglichkeit, Sonderzahlungen bis zu 3000 Euro den Beschäftigten steuerfrei zu zahlen, so gestalten, dass auch das Weihnachtsgeld dazuzählt. „Ich würde mich für die Abschaffung der Bon-Pflicht einsetzen“, sagte Birgit Butter. Esther Deppe-Becker will dafür sorgen, dass die N-Bank kostengünstig und schnell Geld für den Mittelstand in der aktuellen Krise bereitstellt.

 

Es geht nur mit Innovation

Bremervörder Zeitung 01.10.2022

Brandaktuelles Thema bei Arbeitgeber-Sitzung im Oste-Hotel: Kampf um Energie und Rohstoffe

Bremervörde. Ein geopolitisches Thema, das vor Jahren nur Experten elektrisiert hätte, ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen: "Wie der Kampf um Energie und Rohstoffe die Weltwirtschaft und den regionalen Standortwettbewerb neu bestimmt." Diese Frage erörterte der Arbeitgeberverband Stade am 28. September 2022 im Oste-Hotel - mit einem renomierten Wissenschaftler. 

Foto Vortrag

 

Den ganzen Artikel, der in der Bremervörder Zeitung am 1. Oktober 2022 erschienen, können sie der pdf-Datei entnehmen: 

2022-10-01_Es_geht_nur_mit_Innovation_-_Bremervörder_Zeitung.pdf

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung?

manfred v gizycki

Von Rechtsanwalt Manfred v. Gizycki

 

Das Bundesarbeitsgericht sieht Arbeitgeber gemäß seinem Urteil vom 13. September 2022 in der Pflicht, Arbeitszeiten systematisch zu erfassen.

Dies begründete es mit Blick auf das sogenannte Stechuhrurteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2019.

In der Verhandlung sagte die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, die den Vorsitz führte:

„Wenn man das deutsche Arbeitsschutzgesetz mit der Maßgabe des Europäischen Gerichtshofs auslegt, dann besteht bereits eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung.“

Das BAG-Grundsatzurteil (1 ABR 22/21) wird weitreichende Auswirkungen auf die weit verbreiteten Vertrauensarbeitszeitmodelle bis hin zu mobiler Arbeit und Homeoffice haben, weil damit mehr Kontrolle nötig ist.

Nach dem Arbeitszeitgesetz müssen bisher nur Überstunden und Sonntagsarbeit dokumentiert werden, nicht die gesamte Arbeitszeit.

Das Erfurter Gericht hatte über das sogenannte Initiativrecht der Betriebsräte zu entscheiden. Im vorliegenden Fall wollte ein Betriebsrat die Einführung eines elektronischen Systems zur Arbeitszeiterfassung auch gegen den Willen des Arbeitgebers durchsetzen, weil er angefallene Überstunden dokumentieren wollte. Dieses Initiativrecht hat das BAG nun zwar verneint, unter Beibehaltung seiner bisherigen Rechtsprechung, dies aber eben mit der bereits bestehenden Pflicht begründet.

Der Gesetzgeber steht damit nun unter Druck, das deutsche Arbeitszeitgesetz zeitnah den Vorgaben des EuGH anzupassen. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: „Im Dialog mit den Sozialpartnern prüfen wir, welchen Anpassungsbedarf wir angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Arbeitsrecht sehen. Dabei müssen flexible Arbeitszeitmodelle (zum Beispiel Vertrauensarbeitszeit) weiterhin möglich sein.“

Adresse

Arbeitgeberverband Stade Elbe‑Weser‑Dreieck e. V.
Poststraße 1
21682 Stade
Tel.: 04141 4101-0
Fax: 04141 4101-20
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