Löst die Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Maske (sogenannte OP-Maske) auf Anweisung des Arbeitgebers die Verpflichtung zur Zahlung eines Erschwerniszuschlags aus?

 

anna fischer neu

 

 

 

 

 

 

Von Fachanwältin für Arbeitsrecht Anna Fischer

Laut einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Juli 2022 zum Aktenzeichen 10 AZR 41/22 nicht. Der Entscheidung lag die Anwendung des Rahmentarifvertrages für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung zugrunde, dürfte aber auch auf alle übrigen tarifvertraglichen sowie individualrechtlichen Regelungen Anwendung finden, die die Zahlung eines Erschwerniszuschlags beinhalten.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger war bei der Beklagten als Reinigungskraft beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Regelungen des Rahmentarifvertrages für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung Anwendung. Dieser Rahmentarifvertrag sah die Zahlung eines Erschwerniszuschlages unter anderem dann vor, wenn die Arbeitnehmer mit persönlicher Schutzausrüstung arbeiten. Diese Regelung umfasste auch das Tragen einer vorgeschriebenen Atemschutzmaske. Der Kläger trug in der Zeit von August 2020 bis Mai 2021 auf Anweisung seines Arbeitgebers, die im Zusammenhang mit den Corona-Schutzmaßnahmen erfolgte, bei der Ausführung der Reinigungsarbeiten eine medizinische Gesichtsmaske. Er verlangte hierfür den tariflichen Erschwerniszuschlag und argumentierte, dass auch das Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske bei der Arbeit eine Erschwernis darstelle, die durch den Erschwerniszuschlag abgegolten werden solle. Eine medizinische Gesichtsmaske sei als Teil der persönlichen Schutzausrüstung anzusehen, weil sie auch die Gefahr der eigenen Ansteckung verringere.

Sowohl die erste als auch die zweite Instanz wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers beim Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht führte aus, dass eine medizinische Gesichtsmaske keine Atemschutzmaske im Sinne der tariflichen Regelung sei. Diese knüpfe insoweit an die maßgeblichen Vorschriften des Arbeitsschutzrechts an. Danach fällt unter den Begriff der Atemschutzmaske nur eine solche Maske, die vorrangig den Eigenschutz bezweckt und zu den sogenannten persönlichen Schutzausrüstungen gehört. Dies trifft auf medizinische Gesichtsmasken aber nicht zu. Diese bezweckt insbesondere einen Fremd-, aber keinen Eigenschutz, der den Anforderungen an eine persönliche Schutzausrüstung im Sinne der arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften genügt. Dementsprechend stehe dem Kläger kein Anspruch auf den tariflichen Erschwerniszuschlag zu.

Es dürfte zwar auf die konkreten Regelungen in Arbeitsverträgen und tariflichen Regelungen ankommen, jedoch kann im Grundsatz festgehalten werden, dass medizinische Gesichtsmasken nicht zur persönlichen Schutzausrüstung gehören und damit das Tragen nicht zuschlagspflichtig ist.

 

Kann die Zustimmung eines Betriebsratsvorsitzenden zu einer Betriebsvereinbarung auch ohne Beschluss des Betriebsrates wirksam sein?

 

 

 

 

 

 

Von Fachanwältin für Arbeitsrecht Anna Fischer

Laut Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Februar 2022 zum Aktenzeichen 1 AZR 233/21 kann eine solche Erklärung nicht wirksam sein. Dies hat zur Folge, dass die gesamte Betriebsvereinbarung unwirksam ist. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Es bestand ein dreiköpfiger Betriebsrat in einem Betrieb, in dem seit langem eine Betriebsvereinbarung zur Eingruppierung auf der Grundlage einer sogenannten analytischen Arbeitsbewertung sowie zur Prämienzahlung zur Anwendung kam. Der BR-Vorsitzende unterschrieb zwei ablösende Betriebsvereinbarungen, die sich nachteilig auf einen Arbeitnehmer auswirkten. Dieser klagte daraufhin auf Feststellung, dass er gemäß der bisherigen Betriebsvereinbarung einzugruppieren und zu vergüten sei. In dem laufenden Prozess kam dann heraus, dass der Vorsitzende die Betriebsvereinbarungen ohne Beschluss des Betriebsrats, aber nach vorheriger informeller Abstimmung mit den anderen beiden BR-Mitgliedern unterschrieben hatte. Diese kannten die bevorstehende Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung und erhoben keine Einwände. Von diesen internen Vorgängen des Betriebsrates hatte der Arbeitgeber bis zum Prozess keine Kenntnis. Eine nachträgliche Genehmigung der Zustimmung des BR-Vorsitzenden zu den beiden Betriebsvereinbarungen per BR-Beschluss gab es nicht.

Die Vorinstanzen (Arbeitsgericht Wuppertal sowie Landesarbeitsgericht Düsseldorf) führten aus, dass die Zustimmung des BR-Vorsitzenden ausreiche, auch wenn kein entsprechender BR-Beschluss vorliege. Das Landesarbeitsgericht stützte sich dabei auf die im Zivilrecht anerkannte sogenannte Anscheinsvollmacht, da die anderen beiden BR-Mitglieder von der Unterzeichnung der Betriebsvereinbarungen wussten und der Arbeitgeber im guten Glauben von einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung ausging.

Das Bundesarbeitsgericht hob jedoch das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf auf und verwies die Angelegenheit zurück. Es führte hierzu aus, dass eine rechtlich bindende Vertretung des Betriebsrats durch den Vorsitzenden ohne ordnungsgemäßen BR-Beschluss jedenfalls dann nicht möglich sei, wenn es um den Abschluss einer Betriebsvereinbarung gehe. Eine Anscheinsvollmacht – wie vom LAG Düsseldorf bejaht – setze voraus, dass der Vertretende das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, es aber bei sorgfältigem Vorgehen hätte erkennen und verhindern können und dass die andere Vertragspartei darauf vertraut, dass der Vertretende das Handeln des Vertreters kennt und mit ihm einverstanden ist. Diese Art der Zurechnung sei aber auf das Verhältnis von Betriebsrat und BR-Vorsitzenden nicht zu übertragen. Denn Betriebsvereinbarungen gelten für alle Arbeitnehmer des Betriebs unmittelbar und zwingend. Dafür ist eine demokratische Legitimation erforderlich, diese liegt in dem mehrheitlich getroffenen Beschluss des Betriebsrats. Die Geltung einer Betriebsvereinbarung allein aufgrund einer Anscheinsvollmacht des BR-Vorsitzenden ist damit nicht vereinbar.

Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Gemäß § 26 Absatz 2 BetrVG ist die Vertretungsmacht des BR-Vorsitzenden für den Betriebsrat gesetzlich beschränkt. Daher dürfen die BGB-Regeln über die Stellvertretung für das Verhältnis von Betriebsrat und BR-Vorsitzenden nicht in vollem Umfang gelten.

Hat ein Arbeitnehmer bei der Schlussformulierung seines Arbeitszeugnisses Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel?

 

tobias wilkens

 

 

 

 

 

 

Von Rechtsanwalt Tobias Wilkens

Nein.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit zu begrüßendem Urteil vom 25. Januar 2022 (9 AZR 146/21) entschieden, der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, ein Arbeitszeugnis mit einer Schlussformel zu versehen, in der er dem Arbeitnehmer für die geleistete Arbeit dankt und ihm für die Zukunft alles Gute und viel Erfolg wünscht.

Ein solcher Anspruch lässt sich weder unmittelbar aus § 109 Abs. 1 GewO noch aus einer verfassungskonformen Auslegung dieser Vorschrift noch aus der Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB herleiten.

Eine sogenannte Dankes- und Wunschformel trägt nur unwesentlich zur Erreichung des Zeugniszwecks als Beurteilungsgrundlage für künftige Arbeitgeber bei. Sie bringt Gedanken und Gefühle des Arbeitgebers zum Ausdruck, die weder Rückschlüsse auf die Art und Weise, in der der Arbeitnehmer die ihm übertragenen Aufgaben erledigt hat, noch auf dessen für das Arbeitsverhältnis wesentlichen Charaktereigenschaften und Persönlichkeitszüge zulassen.

Durch eine verpflichtende Aufnahme einer Dankes- und Wunschformel als integraler Bestandteil eines qualifizierten Zeugnisses würde die durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gestützte negative Meinungsfreiheit des Arbeitgebers beeinträchtigt, weil er verpflichtet wäre, innere Gedanken über und seine Gefühle für den aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmer zu äußern.

Der abschließende Charakter der Regelung in § 109 Abs. 1 S. 2 und S. 3 Gewerbeordnung steht einer Erweiterung der in ein qualifiziertes Arbeitszeugnis aufzunehmenden Angaben durch das Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB entgegen.

Beim in der Praxis häufig auftretenden Konflikt, wonach ein Zeugnis wahr, aber auch dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers dienlich sein soll, lässt das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber im Ergebnis Spielraum zur wahrheitsgemäßen Ausstellung des Zeugnisses, dem eigentlichen Zweck eines Zeugnisses, in dem bei der Dankes- und Wunschklausel keine Verklammerung mit dem Gebot des beruflichen Fortkommens vorgenommen wird.

Befristeter Arbeitsvertrag mit gescannter Unterschrift?

Von Rechtsanwalt Manfred v. Gizycki

manfred v gizycki

 

 

 

 

 

 

Die Befristung eines Arbeitsvertrages erfordert die Schriftform. Ist hierfür eine gescannte Unterschrift ausreichend?

In dem vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 16. März 2022 (Az. 23 Sa 1133/21) entschiedenen Fall war die Arbeitnehmerin für ein Zeitarbeitsunternehmen tätig. Der Arbeitgeber schloss mit ihr mehr als 20 kurzzeitig befristete Arbeitsverträge bei entsprechenden Aufträgen von entleihenden Betrieben. Die einzelnen Arbeitsverträge bezogen sich jeweils auf die anstehende ein- oder mehrtätige Tätigkeit, zuletzt auf die Tätigkeit als Messehostess über mehrere Tage. Hierzu erhielt die Arbeitnehmerin jeweils einen auf diese Tage befristen Arbeitsvertrag mit der eingescannten Unterschrift des Geschäftsführers zugesandt. Diesen Vertrag unterschrieb sie und verschickte ihn per Post an den Personalverleiher zurück.

Die Leiharbeitnehmerin klagte gegen die zuletzt vereinbarte Befristung. Aus ihrer Sicht war diese mangels Einhaltung der Schriftform unwirksam. Der Personalverleiher machte geltend, dass es für die Einhaltung der Schriftform nicht nötig sei, dass der Arbeitnehmerin vor Arbeitsaufnahme eine im Original unterschriebene Annahmeerklärung des Arbeitgebers zugehe. Er kritisierte zudem das Verhalten der Arbeitnehmerin als widersprüchlich, da sie sich gegen eine Praxis wendete, die sie lange Zeit unbeanstandet mitgetragen habe.

Das Landesarbeitsgericht Berlin folgte der Sichtweise der Arbeitnehmerin. Wie bereits die Vorinstanz gab es der Klage statt. Es entschied, dass die vereinbarte Befristung unwirksam war, da die gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG zwingend vorgeschriebene Schriftform nicht beachtet wurde. Um die Vorschrift im Sinne des § 126 BGB einzuhalten, sei eine eigenhändige Unterschrift oder eine qualifizierte elektronische Signatur erforderlich. Der vorliegende Scan genügte diesen Anforderungen in beiderlei Hinsicht nicht. Zur Begründung führte es aus, dass bei einer mechanischen Vervielfältigung der Unterschrift keine Eigenhändigkeit vorliege. Auch durch die datenmäßige Vervielfältigung durch Computereinblendung „in Form eines Scans“ liege keine Eigenhändigkeit vor. Den Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur konnte der Scan ebenfalls nicht genügen. Damit lag keine eigenhändig unterzeichnete Befristungsabrede vor. Eine solche hätte der Arbeitnehmerin vor Vertragsbeginn vorliegen müssen, um den Vertrag wirksam zu befristen. Nicht ausreichend sei eine etwaige spätere eigenhändige Unterzeichnung des befristeten Vertrages durch den Personalverleiher, stellte das Gericht fest.

Auch die Tatsache, dass die Leiharbeiternehmerin diese Praxis in der Vergangenheit hingenommen hatte, stand aus Sicht des Gerichts ihrer Klage nicht entgegen. Mit der Klage verhalte sie sich nicht treuwidrig, vielmehr sei ein etwaiges arbeitgeberseitiges Vertrauen in eine solche nicht rechtskonforme Praxis nicht schützenswert. Die Klage wurde auch ordnungsgemäß innerhalb der dreiwöchigen Frist nach vorgesehenem Befristungsablauf (§ 17 TzBfG) erhoben. Die Befristungsabrede war also unwirksam.

Adresse

Arbeitgeberverband Stade Elbe‑Weser‑Dreieck e. V.
Poststraße 1
21682 Stade
Tel.: 04141 4101-0
Fax: 04141 4101-20
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